ERINNERUNGEN EINES EIPOS-GRÜNDERS

Prof. Dr. paed. habil. Günter Lehmann | Vizepräsident des EIPOS e.V.

Am 12. März vor 30 Jahren erreichte mich ein Anruf aus dem Büro Jean Claude Junker.  Eine Dame hatte den Auftrag, sich zu erkundigen, ob ich eine Einladung zu einem internationalen Kongress zur universitären Weiterbildung mit Vortrag in Klagenfurt (Österreich) im Mai d. J. annehmen würde. Als Vortragsthema wurde genannt: Stand und Entwicklung der Weiterbildung an der Dresdner Universität. Mir war in dem Moment weder bekannt, wer J. C. Junker war, noch welchem Geschäft sein Büro nachging. In der Bedenkzeit, die ich für die Zusage erbat, erfuhr ich, dass Junker damals luxemburgischer Finanzminister war und ein Büro in Brüssel unterhielt, dass sich mit europäischen Bildungsprojekten beschäftigte und später mit der Vorbereitung des Maastricht-Vertrages befasst war.

Was mich aber in der Bedenkzeit wirklich beschäftigte, war die Frage: Was sollte ich zum Stand und der Entwicklung der Weiterbildung bei uns in Dresden vor dieser internationalen Öffentlichkeit sagen? Ein Offenbarungseid erschien peinlich. Denn: Wie war die Lage zu Beginn des Jahres 1990? In den 80er Jahren war die Technische Universität Dresden (TUD) Marktführer in der ingenieurwissenschaftlichen Weiterbildung weit über die sächsischen Grenzen hinaus. Die jährlich etwa 20.000 Teilnehmer an den Seminaren, Lehr- und Studiengängen wurden von ihren Unternehmen, Organisationen und Verwaltungen delegiert, bei Arbeitsbefreiung, Lohnfortzahlung und Übernahme der Teilnehmergebühren. In der programmatischen Ausrichtung der TUD war die Weiterbildung betont als 3. Säule neben Ausbildung und Forschung entwickelt worden.

Eine komfortable Situation, die sich jetzt – 1990 – schlagartig veränderte. Unternehmen wurden in ihrem gegenwärtigen Bestand zunehmend in Frage gestellt. Damit entfielen die Unterstützungsmöglichkeiten und auch die Bereitschaft zur Teilnahme. Zumal auch unter den bisherigen Interessenten erhebliche Zweifel entstanden, ob denn die Universität so rasch ihr Weiterbildungsangebot auf die neue Zeit einstellen könne. Die rasch aufkommende Konkurrenz aus den zahlreichen westdeutschen Privatinstituten und Akademien mit ihren Dependancen im Osten versprach dagegen schon in ihren Flyern bessere Chancen auf dem neuen Arbeitsmarkt. Von Seiten der Universität lagen die Arbeitsschwerpunkte im Frühjahr 1990 eindeutig auf der Umgestaltung der Ausbildung für 25.000 Studierende sowie der Neuausrichtung und Finanzierung der Forschung. Zudem waren strukturelle Veränderungen und die personelle Neuaufstellung zu bewältigen. Von den etwa 9.000 Beschäftigten standen schon bald 4.000 nicht mehr zur Verfügung. Sicher kam jetzt Verstärkung aus den westdeutschen Universitäten und Instituten, aber viele von ihnen waren noch in ihrem bisherigen Wirkungsbereich und vor allem an ihren Wohnort und Familienkreis gebunden – was häufig nur eine 2- bis 3-tägige Anwesenheit in Dresden ermöglichte. Für die Übernahme von Weiterbildungsaufgaben blieb da kaum Zeit. Wir hatten in dieser Situation keine reale Chance, eine wirklich nachgefragte Weiterbildung an der Universität anzubieten.

Was also sollte ich in Klagenfurt über den Stand der Weiterbildung berichten und welche Entwicklung sollte ich kennzeichnen? Ich hatte eigentlich die Absage schon vorbereitet, da gab mir ein guter Freund zu bedenken: Du hast die Lage nicht verursacht, also brauchst Du Dich nicht zu schämen. Fahre hin, schildere die Lage und erwecke Verständnis, dass ihr zunächst andere Schwerpunkte setzen müsst. Mache aber klar, dass ihr fest vorhabt, die Weiterbildung wieder an der TUD zu etablieren und dafür jeden Ratschlag dankbar annehmt. Kurzum, ich bin im Mai nach Klagenfurt gefahren, habe eine halbe Stunde vor der Mittagspause das Wort erhalten, 15 Minuten gesprochen in der vagen Annahme, dass noch Zeit für Anfragen und Diskussion verfügbar sei. Aber ich hatte mich verschätzt! Nach 45 Minuten Diskussion wurde der Tagungsleiter aus der Mensa angefragt, ob die Teilnehmer noch zum Essen kämen. Es gab eine Fülle von Beiträgen aus dem Kreis der etwa 200 Teilnehmer.

Zunächst schilderten die tschechischen und polnischen Kollegen zum Sachstand ähnliche Probleme, dann kamen die Bedenkenträger gegenüber einer für die Praxis hilfreichen universitären Weiterbildung. Schließlich meldeten sich mit sehr nützlichen Ratschlägen und der Schilderung von Erfolgsmodellen Vertreter aus Aachen, Karlsruhe, Darmstadt und München zur Weiterbildung von Ingenieuren und boten Unterstützung an. Die Mittagspause offenbarte sich für mich schließlich zum nützlichsten Teil der ganzen Tagung. An meinem Tisch saß der Rektor der RWTH Aachen, Professor Klaus Habetha, der Strukturen und Programme anbot, der Rektor der TH Karlsruhe, Professor Heinz Kunle, der die Abordnung von Dozenten nach Dresden vorschlug und der Chef einer Münchner Baurechtskanzlei, Professor Helmut Greulich, der persönlich Seminarprogramme und Dozentenleistungen ohne Honorarzahlung zusicherte. Schließlich lud mich ein älterer Herr in dieser Runde zum Abendbrot in sein Institut nahe Klagenfurt ein, um die Gespräche zu vertiefen. Der Gastgeber war Professor Martin Mittag, ein gebürtiger Dresdner, der über viele Jahre Bauinstitute in Essen, Detmold und jetzt nahe Klagenfurt mit dem Schwerpunkt Baukostenplanung betrieb. Er wollte gern Initiativen in seiner Geburtsstadt unterstützen und fühlte sich durch unsere Gespräche angeregt, dies für die universitäre Weiterbildung zu prüfen. Schon Ende Juni besuchte er uns in Dresden, bastelte mit uns am Konzept und Programm eines möglichen Weiterbildungsunternehmens.

Parallel zu diesen Ereignissen hatte ich durch Vermittlung des Karlsruher Rektors, Professor Kunle, einen Sitz in einer Weiterbildungskommission des damaligen Ministers Möllemann in Bonn erhalten. Dort wurden Weiterbildungsunternehmen vorgestellt, als AN-Institut der Universität wirtschaftlich und juristisch selbständig, aber unter Programmhoheit des Rektorats bzw. des Senats stehend und als gemeinnütziger Verein eingetragen. Dieses Modell prüften wir, stimmten es im Rektorat ab und erhielten dafür grünes Licht durch das Vereinsregister. Bei der Errichtung der Satzung folgten wir der Empfehlung des Präsidenten der Internationalen Gesellschaft für Ingenieurpädagogik, Professor Adolph Melezinek, für die Mission des Vereins, die europäische Dimension ins Auge zu nehmen, mit besonderem Blick auf die östlichen Nachbarn. Und so entstand der zunächst etwas sperrig klingende Namen: Europäisches Institut für postgraduale Bildung an der Technischen Universität Dresden e. V. Eine Abkürzung musste her. Nach mehreren Versuchen landeten wir bei EIPOS – etwas griechisch-mythisch – aber inzwischen über 30 Jahre zur Realität geworden. Jetzt ging alles ziemlich schnell. Mitten in der wilden Zeit zwischen Maueröffnung und deutscher Einheit, am ersten September 1990, trafen sich 23 Personen im Neuen Senatssaal der TUD und gründeten den Verein mit dem Ziel, „… die postgraduale Bildung im gesamteuropäischen Bereich zu fördern und durchzuführen“. Die Mitglieder wählten das Präsidium, das seinerseits den ersten frei gewählten Rektor der TUD, Prof. Günther Landgraf zu seinem Präsidenten wählte. Der Start war geschafft, nun begannen die Mühen der Ebene.

Das zarte Pflänzlein EIPOS war von Anfang an nicht unumstritten. Von der Konkurrenz wurde es als „spätes Kind der DDR“ beargwöhnt, von Neidern als verdeckter Profitbetrieb betitelt und als kurzlebiges Konstrukt verschrien. Doch wir haben uns in unserer Euphorie nicht beirren lassen und sind stets davon ausgegangen: Wer sich alles ein- und ausreden lässt, wird kaum sein Ziel erreichen. Deshalb haben wir von Anfang an Beulen einkalkuliert und versucht, auch mit ihnen zu leben, was bis heute gelungen ist und weiter gelingen wird. Völlig unterschätzt hatten wir allerdings die Vereinbarung einer festen Büroadresse an der Universität. In einer Zeit rasanter struktureller und personeller Veränderungen an der Universität musste das mäßig geliebte AN-Institut häufig den Standort wechseln, was der Außenwirkung nicht dienlich war. Die unternehmerische Weitsicht unseres Gründungsbruders Martin Mittag befreite uns aus dieser Unsicherheit und führte EIPOS schließlich in das schöne Haus in der Goetheallee 24, in dem wir 22 Jahre verbrachten.

Ich bin manchmal gefragt worden, woher wir eigentlich den Mut genommen haben, damals auf der grünen Wiese ein Europäisches Institut aufzubauen. Heute muss ich sagen: Neben unserem festen Vorsatz, Weiterbildung auf universitärem Niveau in Dresden wieder zu etablieren, stand vor allem das Glück, tatkräftige Unterstützung auf diesem Weg erhalten zu haben: durch Prof. Mittag, der uns ideell und finanziell viele Jahre unter die Arme griff und schließlich auch den Start in der Goetheallee ermöglichte, durch Professor Landgraf, der als Rektor auch in rauen Zeiten das Schutzschild über uns hielt und durch Dr. Mankel, der als Geschäftsführer in der IHK Dresden für unsere Angebote den Weg in die Wirtschaft ebnete und seitdem mit EIPOS auf das Engste verbunden ist.

Manche behaupten: Zum Mut gehört meistens auch etwas Dummheit. Oder etwas freundlicher formuliert, eine gewisse Unbedarftheit, vielleicht auch Naivität, auf jeden Fall die Abwesenheit ausreichender Kenntnisse und Erfahrungen für das Bewältigen einer weitgehend unbekannten Situation. Und im Rückblick muss ich offen gestehen: Zunächst fehlten uns sowohl betriebswirtschaftliche als auch steuer- und vereinsrechtliche Kenntnisse. Wir bauten im ersten Jahr Angebote aus den Arbeitsergebnissen von Universitäts-Angehörigen auf und wunderten uns, dass sie keiner annahm, weil sie eben nicht die erwarteten Chancen in der neuen Arbeitswelt versprachen. Nur die Baurechtsseminare des Münchner Anwalts Professor Greulich und die Wertermittlungs-Workshops von Professor Mittag halfen uns in dem ersten Jahr zu überleben.

Aber wir lernten schnell, studierten Angebote der Konkurrenz, analysierten Trends auf dem Arbeitsmarkt und die Förderrichtungen der Stiftungen und Organisationen. Dabei schälten sich neben Seminaren im Bauwesen die Form der 3- bis 4semstrigen Studiengänge heraus, vor allem auf den Gebieten Verkehr, Altbausanierung, Telekommunikation, Umweltwissenschaften, gefördert durch die Bund-Länder-Kommission, die Deutsche Bundesstiftung Umwelt, die Krupp-Stiftung usw. Dieses Grundkonstrukt der berufsbegleitenden Studiengänge mit einem berufsqualifizierenden Abschluss haben wir über die gesamte Zeit entwickelt, auch international angeboten, und es findet ja heute mit den Masterstudiengängen Brandschutz und Immobilienmanagement seine volle Ausprägung.

Auch eine zweite Angebotsform entstand aus dem Bedarf nach einer zertifizierten Qualifikation für ein Fachgebiet. Aus einer Vielzahl einzelner 2- bis 3tägigen Lehrgängen entstanden Fachfortbildungen, zuerst auf den Gebieten „Holzschutz“, „Immobilien-Wertermittlung“ und „Schäden an Gebäuden“. Sie schlossen mit Leistungsnachweisen ab und führten zum „Sachverständigen EIPOS“, inzwischen ein Markenzeichen von EIPOS. In der ersten Zeit wurden die Zertifikate veredelt durch Akzeptanz der IHK, die auf der Urkunde dokumentiert war. Heute kann man sagen, dass diese Angebotsform über 25 Jahre die Bekanntheit von EIPOS im deutschsprachigen Raum erheblich gefördert und seine wirtschaftliche Stabilität entscheidend gesichert hat.

Mit den Studiengängen und vor allem mit der Sachverständigenaus- und -fortbildung präsentierte sich EIPOS im Verlaufe seiner Entwicklung respektabel in der Weiterbildungslandschaft. Zunehmend wurden wir akzeptiert und anerkannt. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen. Auf einen möchte ich gern abstellen. Jedes Programm, ob das 2tägige Seminar, die Fachfortbildung (FFB), der Sachverständigentag (SVT) oder der Studiengang, war von jeher maßgeblich das Produkt geistiger Produktivität von EIPOS-Mitarbeitern. Das waren von Beginn an die Herren Dr. Hansel, Dr. Reese, Dr. Große, B. Landgraf und das sind jetzt in hervorragender Weise Frau Schönherr, Frau Tschentscher, Herr Neumann, Frau Grün, Frau Dr. Brückner, Frau Zimmermann und Frau Mai. Bei dieser Aufzählung bemerken Sie sicher, dass auch bei EIPOS die Damen inzwischen das Terrain beherrschen. Die Genannten entwickeln in Vergangenheit und Gegenwart neue Programme (sicher mit externer Beratung), leiten sie auf Augenhöhe mit den Dozenten und Teilnehmern und generieren aus den Kontakten neue Programme. Das ist eine Besonderheit von EIPOS, auf die wir von Beginn an Wert gelegt haben, die über die Zeit bewahrt wurde, heute von der Leitung sorgsam gepflegt wird und den Erfolg des Instituts ausmacht. Dabei werden die Genannten durch ein Organisationsteam unterstützt, das sich in allen modernen Komponenten professionalisiert hat und durch solche Erfahrungsträger wie Frau Krüger, Frau Schlopsnies, Frau Kögler, Frau Albani oder Frau Gey geprägt wird.

Für das Gestalten der Beziehungen zu Partnern nach außen und zu den Mitarbeitern nach innen gaben uns die Gründungsväter drei Empfehlungen mit auf den Weg:

Erstens: Man kann keinen eigenen Erfolg aufbauen und genießen, solange der Partner mit Misserfolgen leben muss.
Zweitens: Gestatte Dir Freiheit im Denken und Handeln und gestehe sie auch jedem mit Dir Verbundenen zu.
Drittens: Bilde Gemeinschaften, Partnerschaften, Teams, die nicht aus Traditionen, konfessionellen oder politischen Bindungen hervorgehen, sondern ausschließlich aus gegenseitiger Verlässlichkeit.

Diese Orientierung begleitete uns nahezu 20 Jahre erfolgreich, bis eine neue Präsidentschaft drohte, EIPOS in eine andere Richtung, auch von der TUD weg zu lenken. Die Folgen waren schmerzhaft: wertvolle Partner verabschiedeten sich von uns, Teilnehmer meldeten sich ab, Mitarbeiter kündigten oder zogen sich zurück. Das Präsidium beendet diese Krise und unter Führung von Dr. Werner Mankel wurde eine Entwicklung eingeleitet, die zur festen Verankerung in der TUD und zu einem dreifachen EIPOS führte (siehe EIPOS – Ein Rückblick 2011 bis 2015).

Zur Erfolgsgeschichte von EIPOS gehört aber auch die Berufsbiografie von zwei Damen: Frau Schönherr, 1995 als frisch diplomierte Bauingenieurin bei uns eingetreten und Frau Pechstein, 1991 als Praktikantin eingestellt. Beide haben mit uns über viele Jahre Freude gehabt, manche Beulen überlebt und dabei Qualifikation, Kompetenz und die Überzeugung gewonnen, nun schon seit 3 Jahren Führungsverantwortung zu übernehmen. Und wie sie diese Verantwortung wahrnehmen, wie sie Führungsqualität zeigen, ist beeindruckend. Nicht nur die wirtschaftlichen Kennziffern stimmen. Es ist vor allem die Akzeptanz bei den Fachkollegen, den Dozenten und den Teilnehmern, das hohe Ansehen von EIPOS in der TUDAG als eines der erfolgreichsten Bildungsunternehmen. Und schließlich führen sie das EIPOS-Team zu außerordentlich engagiertem und geschlossenem Handeln.

Erlauben Sie mir abschließend noch ein sehr persönliches Wort:
Für einen, der vor 30 Jahren die Gründung eines riskanten Unternehmen betrieb, dann mit ins Leben gerufen hat, ist es ein großes Glück und eine tiefe Befriedigung, wenn langjährige EIPOS-Mitarbeiter selbständig daraus zwei erfolgreiche, für die Zukunft gut aufgestellte Unternehmen gestalten.

Ich wünsche allen EIPOSianern für die kommenden 30 Jahre stets Mut, Kraft und Gelassenheit.